Höhlenlegenden


Höhlen sind oft mit Legenden verbunden, Sagen oder Gerüchten. Manche dieser Geschichten haben einen wahren Kern, einen geschichtlichen Ursprung. Andere sind fantastische Geschichten, die Aberglauben entspringen. Aber dann gibt es einen kleinen Satz an äußerst weit verbreiteten Geschichten, die man in vielen Ländern der Welt und in unterschiedlichsten Kulturkreisen wiederfindet, Die düsteren Legenden (urban legends) des Untergrunds sind aber wohl eher Memes. Zuerst mal eine kleine Liste derartiger Legenden:

  1. Der verschollene Verbindungsgang:
    Diese Legende erzählt die Geschichte des Verbindungsgangs zu einem weit entfernten Ort. Meist handelt es sich dabei um einen außergewöhnlichen Ort, einen Berg oder See, eine Stadt oder ein besonderes Gebäude. Doch vornehmlich ist es sehr weit entfernt, zum Beispiel bei einer 500 m langen Höhle wird ein Verbindungsgang einem 15 km entfernten Fluss postuliert. Bei einem Bunker, Keller oder Verlies ist es ein Fluchttunnel zu einem 15 km entfernten Schloss. Oder ein Tunnel, der die Burgen zweier verfeindeter Familien verbindet. Und immer ist er heute eingestürzt oder wurde zugemauert und die Stelle vergessen. Und kein einziger wurde jemals wiederentdeckt.
  2. Der versteckte Schatz:
    Jede Ruine braucht ihren Geist, jede Höhle ihren versteckten Schatz. Die Geschichten ähneln sich alle: jemand versteckt einen Schatz in der Höhle, aber sagt niemandem wo, bis er dann stirbt und die Lage des Schatzes damit unwiederbringlich verloren. Natürlich gibt es in den folgenden Jahrhunderten immer wieder dumme Schatzsucher, die mit ihren Grabungen die Höhle zerstören, ohne den Schatz jemals zu finden.
  3. Das Räuberversteck:
    Ganz besonders beliebt sind Höhlen offensichtlich bei Räubern. Wo es einen Räuber gab, da gibt es immer auch eine Höhle, in der dieser sich versteckt hat. Normale Menschen frieren schon bei 30 Minuten Schauhöhlenbesuch, Räuber sind da wohl aus anderem Holz geschnitzt. Man fragt sich allerdings warum die Ordnungshüter nicht einfach in der nächstbesten Höhle auf das Eintreffen der Räuber gewartet haben.
  4. Die versteckte Diebesbeute:
    Die letzten beiden Legenden werden gerne und häufig verbunden. Da versteckt sich ein Räuber nach der Tat in einer Höhle. Irgendwann muss er weiter, will aber den gestohlenen Schatz sicher verwahrt wissen, es wird ja so viel gestohlen heutzutage. Der Dieb versteckt den Schatz also in der Höhle, flieht weiter, wird bei dem Versuch ihn zu fangen getötet, aber der gestohlene Schatz bleibt verschwunden.
  5. Der weit entfernt wiedergefundene Gegenstand:
    Die Geschichte ist simpel und erinnert an einen hydrogeologischen Färbeversuch: Etwas wird in die Höhle eingebracht und verschwindet, um etwas später an unerwarteter Stelle wieder zu erscheinen. Was diesen Geschichten jedoch mangelt, ist ein geeignetes Färbemittel. Da werden Fische ausgesetzt, Enten in Schlucklöcher geworfen, oder Rindenstückchen. Ein Hund geht in der Höhle verloren, nachdem er einen Fuchs verfolgt hat, oder ein Schaf verläuft sich. Sogar Schmuck oder ein Schlüssel ereilt dieses Schicksal. Tage später wird das verlorene Tier oder der verlorene Gegenstand weit entfernt wiederentdeckt. Daraus wird sofort eine unterirdische Verbindung abgeleitet. Man fragt sich aber schon wie der Erzähler die Fische/Enten/Rindenstückchen an Ort A und Ort B als die gleichen Individuen(!) wiedererkannt haben will. Bei einem Schlüssel fällt das leichter, aber wie sollte der Schlüssel, der doch wohl kaum auf Wasser schwimmt, von A nach B gelangt sein, auch wenn es eine Verbindung gäbe? Solche akkuraten Details vertuschen in der Regel das offensichtlich Unmögliche, indem sie durch komplizierte Konstrukte davon ablenken.

Alle diese Geschichten halten alle einer ernsthaften Überprüfung nicht stand. Wie sollte zum Beispiel ein 15 km langer Tunnel erbaut worden sein? Im Mittelalter brauchten Bergleute ein ganzes Jahr um drei bis vier Meter Stollen zu graben. Eine einfache Rechnung ergibt für diesen Tunnel einen Aufwand von 40 Mann die 100 Jahre daran arbeiten. Bei den verschollenen natürlichen Höhlen ist meist kein Anzeichen zu entdecken. Da gibt es keinen Versturz, keine Erdfälle auf dem vermuteten Verlauf des Tunnels. Oft ist die Geologie so beschaffen, dass ein einfacher Blick auf eine geologische Karte die Legende widerlegt.

Was die Schätze angeht, so ist diese Art Geschichte durchaus plausibel, aber daß der Schatz in Jahrhunderten nicht gefunden wurde spricht stark dafür, daß es gar keinen gibt. Viel wahrscheinlicher gab es niemals einen Schatz, oder der glückliche Finder hat den Fund verschwiegen. Wir denken, dass es in den allermeisten Fällen nie einen Schatz gab, denn Schätze sind nicht sehr weit verbreitet. Viel wahrscheinlicher ist, daß eine Unterschlagung durch den Überfall gedeckt wurde, das verschwundene Geld wird einfach zur Beute hinzugerechnet. Wenn dann viel weniger gefunden wird, ist schon wieder ein mysteriöser Schatz geboren.

Alle diese Geschichten klingen auf den ersten Blick halbwegs plausibel. Auf den zweiten sieht das schon ganz anders aus, und sie können meist mit simpelster Logik als falsch entlarvt werden. Somit ist die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Geschichte sehr gering. Und es gibt hunderte fast identischer Geschichten überall auf der Welt, schon allein das spricht dafür, dass sie erfunden sind. Entweder sind es einfach naheliegende Fehlinterpretationen oder sie wurden sogar durch Reisende mitgebracht und den lokalen Gebräuchen angepasst.


Wie geht man nun mit derartigen Legenden um? Wir schlagen vor: lassen Sie sich nicht veralbern und genießen Sie einfach die nette Unterhaltung.