Die Namen Venediger und Walen, sowie eine Vielzahl abgewandelter Schreibweisen, werden seit dem Mittelalter für eine besondere Rasse oder eine Art von Zauberwesen verwendet. Diese haben mit dem Bergbau zu tun, sind auf der Suche nach Gold oder Edelsteinen oder Erzen, sind meist sehr kleinwüchsig und sind den normalen Bergleuten nicht ganz geheuer.
In Europa gibt es einen ganzen Bereich der Sagenwelt, in dem über den Bergbau und speziell über fantastische Ausländer auf der Suche nach Rohstoffen berichtet wird. Diese haben sehr großes Wissen, stammen aus einem fernen Land, dass sie aus Venedig kommen wird eigentlich nur unterstellt, und sind zudem kleinwüchsig. Sie kaufen auf, helfen bei der Suche, und manchmal betreiben sie sogar selbst Bergbau, wobei Ihnen ihre geringe Größe zugutekommt. Ihre fremde Sprache und unverständliches Tun führt dazu, dass ihnen magische Eigenschaften zugeschrieben werden. Als Venediger wird ihnen unterstellt aus Venedig zu stammen, und Minerale für die Glasherstellung, die Reinigung des Glases oder die Färbung zu suchen, eine Referenz auf Murano. Auch geheimes Wissen über noch nicht allgemein bekannte Elemente wird ihnen unterstellt. Als Wahlen, nach dem lateinischen Vallenses, wird ihnen unterstellt aus den Tälern der Schweiz oder Norditaliens zu stammen. Aber immer wird ihnen unterstellt mehr Erfolg als die einheimischen Bergleute zu haben und mit Reichtümern in die Heimat zurückzukehren. Das ist ganz offensichtlich Neid und Ausländerfeindlichkeit, die da spricht.
Zu den Erzgewinnenden Bergmännchen gehören die räthselhaften Venetianer; sie kommen und gehen im Windgespreil, das oft thurmhoch steigt, in der Windsbraut;
in weiter Ferne, gegen Süden, ist ihre Heimat;
sie suchen nach edlen Erzen in den oberpfälzischen Bergen, besonders im Fichtelgebirge, und kehren reichbeladen zurück.
Grösse und Aussehen ist wie bey den Bergmännchen.
Franz Schönwerth (1857): Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 2, Augsburg 1857/58/59, S. 332-333.
Ein Wale kam alljährlich in das Lauchatal, der wußte, daß das Sprüchwort wahr sei, das am Inselberge üblich ist: Es wirft oft ein Hirte mit einem Stein nach der Kuh, der mehr wert ist als die Kuh selbst.
Ein junger Bursch aus Cabarz oder Tabarz mußte dem Walen als Führer dienen, der wurde hernachmals, da der Venetianer längst nicht mehr kam, ein Fuhrmann und kam weit in der Welt herum, einmal sogar mit Gütern bis nach Venedig.
Da fiel ihm ein Kaufladen in das Auge, darin blitzte und funkelte an einem Schaufenster alles von Gold und Edelsteinen, und wohnte da ein reicher Juwelier.
Dieser sah den Thüringer stehen und gaffen und grüßte ihn in deutscher Sprache und war kein anderer als jener Gold- und Steinsucher, den er früher im Gebirge geleitet, der sagte ihm, all dieses Gold und alle diese Steine habe er in dem schönen Thüringen gewonnen, die Thüringer verständen nicht, es auch zu finden und die Steine zu schleifen, man finde dort nur ungeschliffene.
Mit reichem Geschenk entließ der Venetianer den Thüringer.
Ähnliche Sagen werden viele erzählt; eine fast gleichlautende auch vom Bayerberg vor der Rhön.
Ludwig Bechstein (1930): Deutsches Sagenbuch
In verschiedenen Gegenden ist Welsche ein synonym für Ausländer, zumeist in romanischen Sprachen. Es ist regional unterschiedlich, welcher Ausländer gemeint wird, meist sind es aber Ausländer, die gar nicht so weit weg sind, sozusagen Nachbarn. Oft ist der Begriff auch abfällig gemeint. Ähnlich ist es bei den Venedigern, Venedig ist weit weg und spricht eine fremde Sprache, die Leute haben eine Kultur der man mit Misstrauen begegnet, auch deshalb, weil man die Sprache nicht versteht.
Wenn ein Venetianer bei Gott schwört, so gilt's nichts; wenn er aber beim heiligen Antonio schwört, so kann man ihm glauben.
Besonders kurios ist jedoch die Geschichte mit dem Venetianerstollen. In der Sage werden die Venetianer meist nur gehört, was im Bergbau nicht unüblich ist. Dennoch wird auch das Bergwerk in der Regel nicht gefunden. Wird dann jedoch Altbergbau entdeckt, der sehr klein ist, wird er den Venetianern zugeschrieben, weil diese kleinwüchsig sind.
Die Sagen und Legenden der Venetianer sind in ganz Mitteleuropa verbreitet. Es ist bezeichnend, dass die Wikipedia-Seite auf Deutsch, Polnisch und Französisch, aber nicht auf Englisch verfügbar ist. Der Bergbau in Wales, Cornwall und Nordengland hatte nicht weniger Traditionen und Aberglauben, doch waren es andere Traditionen und Aberglauben. Es ist auch leicht nachvollziehen, dass es wohl kein Venezianer im Mittelalter nach Großbritannien geschafft hat, zudem wäre die Reise unnötig gewesen.