Erdstall


Erdställe sind ganz besonders mysteriöse unterirdische Anlagen. Sie können derzeit nicht einleuchtend erklärt werden, es gibt lediglich vage Theorien über ihren Zweck. Aus diesem Grund mutet ein großer Teil der Erdstallforschung wie Esoterik an.

Die Begriffe Erdstall oder Schrazelloch sind die am weitesten verbreiteten der volkstümlichen Bezeichungen für diese Anlagen. Andere sind Erdweiblschlupf, Zwergloch, Seelengänge, oder Alraunhöhle. Der Begriff Erdstall wird jedoch auch in der Archäologie als Fachbegriff für derartige Anlagen benutzt. Er hat nichts mit dem Stall für Tiere zu tun, vielmehr leitet sich Stall von Stelle, einem Ort, ab. Der Begriff bedeutet also lediglich unterirdischer Ort. Die anderen Begriffe dagegen gehen meist auf Sagen zurück. Durch die engen Gänge der Erdställe haben diese Sagen meist Zwerge oder andere kleinwüchsige Fabelwesen zum Thema.

In Großbritannien nennt man diese Art von Tunneln Souterrain. Der Begriff in seiner französischen Form sous Terrain, was unterirdisch bedeutet, darf nicht mit der englischen Version subterranea verwechselt werden. Es hat auch nichts mit einem Keller oder Halbkeller zu tun, für den der Begriff Souterrain in mehreren Sprachen, auch im Deutschen, verwendet wird. Eisenzeitliche Souterrains sind typisch für Irland, wurden aber erst während der späten Eisenzeit aus Gallien nach Norden gebracht. Sie werden auch earth houses, Fogous, Weem und Piktische Häuser genannt, wobei jeder Begriff einen eigenständigen lokalen Typ bezeichnet. Einige Namen deuten darauf hin, dass es sich um unterirdische Häuser handeln würde, aber Souterrains haben keinen offensichtlichen Verwendungszwech und sind regionale Formen des Erdstalls.

Erdställe sind labyrinthartige Anlagen, die aus sehr kleinen Gängen und Räumen bestehen. In vielen derartigen Anlagen kann man sich nur kriechend bewegen, die Gänge sind nie hoch genug um aufrecht gehen zu können. Zudem sind sie häufig durch sogenannte Schlupflöcher verbunden, sehr enge und niedrige Durchlässe mit einem Durchmesser von etwa 40 cm. Sie verbinden Gangteile sowohl horizontal als auch vertikal. Das Gangsystem besitzt in der Regel nur einen Eingang und trotz der verwinkelten Anlage nur einen Gang. Dieser endet in einem etwas grösseren Raum, der sogenannten Schlusskammer. Dieser Raum ist meist der am aufwendigsten gestaltete Raum der Anlage.

Die archäologischen Fakten über Erdställe sind sehr begrenzt. Man kennt sie seit über 100 Jahren. Die Anlagen sind jedoch immer fundleer, es wurden weder datierbare Gegenstände hinterlassen noch haben Bestattungen darin statt gefunden. Sehr selten werden Holz und Holzkohlereste gefunden, aus denen geschlossen wird, dass diese Anlagen bis in das 10. Jahrhundert erbaut wurden. Ab wann sie erbaut wurden ist unbekannt. Die Anlagen wurden in ganz Europa in der Zeit des 12. bis 14. Jahrhunderts verfüllt, verschlossen und bewusst unbrauchbar gemacht. Der Grund dafür ist unbekannt.

Erdställe sind über ganz Mitteleuropa verbreitet, man findet sie vor allem in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Österreich, Bayern, aber auch in Frankreich, Spanien und auf den Britischen Inseln. Allein in Süddeutschland gibt es etwa 700, in Österreich 300 Anlagen, europaweit sind etwa 2000 bekannt. Sie sind immer in unmittelbarer Umgebung von Friedhöfen, Kirchen oder Kapellen zu finden.

Die Bauweise von Erdställen ist irgendwie irrational. Sie sind äusserst unpraktisch, was die meisten Verwendungszwecke unmittelbar ausschliesst. Es handel sich also keinesfalls um Bergbau, Keller, oder Wohnhöhlen. Mangels anderer Erklärung werden sie vielfach als Zufluchtsstätten oder Verstecke gedeutet. Aber dafür sind sie ohne Notausgang und unabhängige Luftversorgung eigentlich auch nicht geeignet. Es wäre viel zu einfach den Schutzsuchenden durch verschließen des Eingangs die Luft abzuschneiden. So bleiben eigentlich nur noch kultische Deutungen und Esoterik übrig.

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