Eine Wanderung nach der Eishöhle bei Skerisora

von Josef Vass

Aus dom III. Heft dos Család könyve. Jahrgang 1857. (Im Auszuge nach der „Wiener Zeitung.")


Es war im Jahre 1855, als wir von Abrudbánya, dem schon den Römern unter dem Namen „Auraria magna“ bekannt gewesenen reichen Goldbergwerk, die Wanderung antraten.

Unser Weg führte uns von jenem Orte aus rechts am Abrudbach durch eins der romantischesten Thäler Siebenbürgens. Bei Gura-Rossi, Abrudfalva und Kerpenyes an den lärmenden Pochmühlen vorüberreitend, gelangten wir auf das rechte Ufer des krystallklaren Aranyos. Hier nahmen wir eine westliche Richtung und erreichten nach vierstündigem Ritt Topánfalva.

Ausgeruht und gestärkt, mit einem Empfehlungsschreiben des Herrn Oberförsters von Topánfalva und einem ortskundigen Wegweiser versehen, setzte sich die Karavane nun wieder in Bewegung, um als Ziel ihrer heutigen Wanderung noch ein einsames und weit entlegenes Försterhaus zu erreichen. Die Gegend, die wir durchzogen, bildet einen Theil des felsigen Grenzgebirges, welches die Benennung der westlichen Schneegebirge (havasok) führend, Siebenbürgen von dem Schwesterlande scheidet. Diesen an Naturschönheiten überaus reichen Strich bewohnen die „Motzen“ oder „Mokanen“, ein kleiner, kräftiger, strammer Menschenschlag, meist romänischen Ursprungs, in Kleidung, Sitten und Sprache rauher, als alle übrigen Landesbewohner.

Die Hänser ein und desselben Dorfes sind hier oft meilen. weit im Gebirge zerstreut, um jedes Haus liegt der ganze Grundbesitz; nur je ein Walachisches Kirchlein zeigt uns, dass wir im Bereiche eines neuen Dorfes uns befinden. Das Innere des Wobpgebäudes wird mit den Hausthieren getheilt.

Obstbäume, die wahrscheinlich des rauhen Clima's wegen nicht fortkommen, gibt es nirgends. Von Hausthieren werden meist Schafe und Schweine gehalten; Ziegen und Rinder seltener; zum Transporte bedient man sich der kleinen Gebirgsrosse, die vortrefflich klettern können, Fahrstrassen gibt es keine, und Wagen sind daher auch nicht im Gebrauch. Die Mokanen führen theils ein Hirtenleben, theils befassen sie sich mit der Verfertigung hölzener Geräthe, mit Kohlenbrennerei und mit Holzflössen. Ihre Erzeugnisse bringen sie auf dem Klausenburger oder andere nähere Märkte zum Verkauf, doch gibt es Viele unter ihnen, die ihr ganzes Leben hindurch nicht aus ihren Thälern herausgekommen sind. Diese Absonderung von aller übrigen Welt ist die Ursache ihrer tiefstehenden Kultur. An Schulen ist nicht zu denken. Im Sommer müssen die Kinder das Vieb hüten und im Winter sind die Einzelhöfte meist so verschneit, dass selbst die Erwachsenen den Kirchgang unterlassen müssen.

Doch werfen wir unsern Blick nun auch auf die Gegend selbst. Anfangs waren wir bei sengender Hitze in dem Thale geritten. Endlich nahm uns schattiger Wald auf, durch den unser Pfad sich aufwärts zum Gipfel hindurchschlängelte. Ober uns zeigten sich auf fetten fichtenumsäumten Triften hie und dort Hirtenwohnungen und weisse Kuhherden; zu unseren Füssen in schwindelnder Tiefe rauschten silberne Wildbäche; aus der Ferne ragten riesige Bergkuppen empor mit hoch aufgethürmten Felsblöcken und an den Abhängen mit pittoresken Schluchten und Wasserfällen.

Auf dem ersten Berggipfel angelangt, liessen wir unsere Pferde eine Weile rasten. Uns zur Rechten schwankten auf magerem Ackergrund die noch grünen Kornähren, und fing der zwerghafte Hafer erst zu treiben an. Von diesem Bergplateau schlängelte sich unser Weg durch üppige Wiesenmatten, von denen ein aromatischer Duft uns erfrischend anwehte. Es stand hier Alles noch in der Frühlings-Vegetation, und ein Botaniker wir hatten leider keinen in unserer Gesellschaft hätte hier reiche Ausbeute gefunden.

Die Sonne neigte sich zum Untergange, als wir am Rand eines dichten Fichtenwaldes angelangt waren. Wir standen in heller Beleuchtung und die fernen Alpen glühten in rosigem Lichte.

Nachdem wir uns an diesem unvergleichlichen Schauspiel geweidet, nahm uns der Wald auf. Noch immer ging es bergan, von Höhe zu Höhe, und immer rauher strich die Luft durch die wilde Gegend, über welche sich dunkle Nacht und Grabesstille gelagert hatten. Endlich waren wir auf dem höchsten Punkte angelangt, und der Führer erklärte, dass wir nun eine ebenso weite Strecke abwärts zu steigen haben würden. Es ging steil abwärts, und wir zogen es daher vor, abzusteigen und den Pferden zu Fusse zu folgen. Wir hatten jetzt einen sternbesäeten Himmel über uns, während Berg und Thal in tiefem Schlafe lagen. Kein prasselndes Hirtenfeuer, kein Thierlaut, kein Quellengemurmel selbst unterbrach das nächtliche Schweigen. Eine halbe Stunde mochten wir so hinter unseren Pferden getappt sein, als aus der Tiefe, wie aus einer andern Welt, das Rauschen eines Baches an unser Ohr schlug. Wir griffen nach unsern Gewehren und feuerten einige Schüsse ab, welche das Thal aus seiner Ruhe aufscheuchten. Unter beständigem Hurrabrufen, dem von unten jetzt schon Hundegebell antwortete, ging es nun weiter, bis zuletzt auch schon der Klang menschlicher Stimmen zu uns heraufdrang. Es war halb 11 Uhr Nachts, als wir in Gura-Disgyitului, von dem achtstündigen Ritt nicht wenig ermüdet, unser heutiges Reiseziel im Försterhause erreichten, von wo die Gornyiken (Waldhaiduken), durch die Schüsse allamirt, uns bis an den Waldbach, den wir zu durchwaten hatten, entgegen gekommen waren.

Das ganze Haus wurde auf die Beine gebracht; die Pferde wurden abgepackt und abgezäumt, um im Freien unter der Obhut eines verlässlichen Wächters zu bivouakiren, denn auch in diesen entlegenen Gebirgsthälern ist man vor Rossdieben so wenig sicher, wie auf den Pussten des Alföld. Unser gastlicher Wirth, der Unterförster sandte, unserm Vorhaben in Kenntniss gesetzt, noch in der Nacht einen alten Gornyik zu Pferde nach der Eishöhle ,,Gyeczár", um dort für unsern Empfang die nöthigen Vorbereitungen zu treffen. Mittlerweile war ein Lamm geschlachtet worden, und bald dampfte eine Paprikás-Schüssel den heisshungrigen Wanderern entgegen, für deren müde Glieder aus würzigem Gebirgsheu ein weiches Lager bereitet wurde, auf dem uns bald stärkender Schlummer umfing.

Am 24. Juli um halb acht Uhr Morgens brach unsere Karavane, nur 15 Mann stark, von Gura-Disgyitului in nördlicher Richtung nach jenen zwei seltenen Naturwundern Siebenbürgens auf, die selbst in jener Gegend nur einigen beherzteren Hirten näher bekannt sind. Unser Pfad folgte den Windungen eines Thales, das von einem wasserreichen Wildbache durchströmt wird, an dessen beiden Ufern Wiesenmatten mit aromatischen Alpenkräutern sich ausbreiteten. Nach einstündigen Ritt machten wir Halt an der Mündung einer Felsenschlucht von den Romanen Gura-Ordinkusi genannt, aus der ein Bächlein sich in den Wildbach ergiesst. Wir liessen hier die Pferde zurück und klommen zu Fuss die Schlucht hinan, an deren linken Felsenwand wir nach halbstündigem Klettern, den Eingang zu einer Höhle erreichten, die der Sage nach einst einem berüchtigten Räuber als Schlupfwinkel diente und nach ihm den Namen „Porta Juon Juonelli“ führt. Die Eingangsgrotte verläuft in nördlicher Richtung in einen kaum 2 Klafter breiten, 4 Klafter hohen und beiläufig 40 Klafter langen Gang, der innere Saal Juonelli's genannt, von dessen Wänden es wohl herabtropft, doch zeigen sich wenig Stalaktiten. Von Fledermäusen oder sonst einem lebenden Inwohner ist keine Spur. Am abschüssigen Ende des Ganges stehen bleibend, bielten wir eine Fackel vor, die jedoch den finstern Schlund, der sich vor uns öffnete, nicht bis zum Grunde zu erhellen vermochte. Wir warfen also Steine hinab, leider batten wir eine Schnur mit Senkblei mitzunehmen vergessen und zählten mehrere Sekunden, bis der plätschernde Schall zu uns heraufdrang , aus dem wir zugleich erkannten, dass der schauerliche Abgrund unten mit Wasser angefüllt war.

Aus der Höhle zum Standorte unserer Pferde zurückgekehrt, setzten wir nun in westlicher Richtung unseren Ritt fort, den Ordiokus-Berg hinan. Hie und da trafen wir auch Gruppen von Arbeitern, welche auf den blumenreichen Gebirgswiesen Gras mähten. Wir befanden uns jetzt im Hotter des Gebirgsdorfes Skerisora, von dem wir zertrennte Hütten und ein bescheidenes Kirchlein zu sehen bekamen. Unser Führer setzte sein Ross in Trab und wir folgten nach. Als wir eine Stunde so weiter getrabt waren, tauchten vor unsern Blicken die Mjelura (Lammberg), rechts in nicht grosser Entfernung die Gaina (Henne), im Südwesten aber die hohen Bihár-Alpen auf, die auch in den heissen Hundstagen ihre Schneehaube nicht abgelegt hatten. Nicht lange und wir befanden uns im Bereiche des Dorfes Mjelura, am Fusse der Gyeczár, dem Ziel unserer Wanderung.

Wir lagerten uns zu kurzer Rast auf den Rasen unter schattige Bäume, ein lustiges Feuer wurde angemacht, bald drehte sich ein fetter Braten am Spiess ; wir aber, nachdem wir uns aus den Mantelsäcken mit wärmeren Veberkleidern versehen hatten, traten nun unsere Pusswanderung an. Dürftige , kaum merkliche Rindersparen zeichneten unseren Pfad, durch niederes Strauchwerk, aus dem stellenweise verkrüppelte Eichen hervorragten, die sich hier in dieser Höhe nicht mehr heimisch zu fühlen schienen , während auf den tieferon Berglebnen dunkle Tannenwälder emporstarrten. Mit raschen Schritten waren wir eine Viertolstunde lang zum Berggipfel hinangeklettert, als wir uns plötzlich und unerwartet am Rande des von Eichengebüsch und Schlingpflanzen umrankten, schwindelnd tiefen Höhlenschlundes befanden. Wir alle waren von dem überraschenden Anblicke festgebannt. Das also ist die berühmte Gyeczár! (Eishöhle von Skerisora). Wir schauen in einen Kessel von beiläufig 8 Klaftern in Durchmesser, dessen Seitenwände ungefähr 16 Klafter tief steil abfallen. Vom Grunde blinkt uns eine Schneemasse entgegen. Ueber dem Krater wölbt sich als Dach das blaue Firmament. Das Hinabsteigen ist ein halsbrecherisches Wagniss, vor dem ich aufangs zurückschreckte. Nicht so meine jüngern Gefährten.

In Winterkleider gehüllt, die Doppelflinte über die Schulter geworfen, folgten sie ohne Zaudern den mit Fakeln voranleuchtenden Gornyiken und dem Herrn Unterförster. Sie stiegen oder krochen vielmehr nach rückwärts auf allen Vieren herunter. Schauderad verfolgte ich von oben herab jede ihrer Bewegungen. Das Hinabsteigen ist nur auf der südlichen Seite des Kraters möglich. Hier springt von der Felsenwand ein anderthalb Fuss breites und neun Klafter langes geneigtes Steingesimse hervor, welches als Zugang zu den aneinandergebundenen Leitern dient. Links ist dieser schmale Steg von der Felsenwand, rechts von einem Geländer eingefasst, dessen bewegliche Pfosten in den Stein eingeklemmt sind. Das Gefährlichste ist bis zu den Leitern zu gelangen; denn wegen der Schlüpfrigkeit des glatten Kalksteines und der nassen Erde ist nirgends ein fester Stützpunkt. Gegen das Hinabstürzen in die schwindelnde Tiefe schützt wohl einigermassen das Geländer, auch ragt hie und da aus der Felsenwand ein Strauch hervor, an dessen Zweigen man sich festzuhalten vermag. Meine Gefährten hingen der Reihe nach schon auf den Leitern, in grösserer oder geringerer Höhe über den Abgrund ; ich aber sass noch immer am Rand des Kraters, unter Angst und Hoffnung ihnen nachstarrend. Endlich verkündeten Plintensalven und freudiger Hurrahruf, dass sie glücklich angelangt waren. Jetzt hielt es auch mich nicht länger oben. Bald stand auch ich unten auf dem schneebedeckten Boden des Kraters , mir die Schweisstropfen abwischend, welche die Anstrengung der gefahrvollen Expedition mir auf die Stirn getrieben hatte. Welche Tiefe die Schneedecke hatte, kann ich nicht bestimmen, doch mochten wir bis zur ersten Höhlenpforte ein bis zwai Klaftern herabgestiegen sein, Der drückenden Sonnenhitze wegen hatte die obere Schneeschicht zu schmelzen angefangen, und sickerte das Schneewasser in die erste Höhlenkammer hinab, wesshalb wir genöthigt waren, auf dem mehrere Geviertklafter grossen spiegelglatten Eisboden im Wasser zu gehen. Zu einer trockenen Eisschicht uns mühsam forthelfend, hingen wir unsere entbehrlichen Gegenstände auf ei den kegelförmigen Eishügel und machten uns nun an die Durch-, forschung der ersten Höhle.

Als ich in dem Kessel angelangt war, fühlte ich mich überrascht, wie vielleicht noch nie in meinem Leben. Aus 4 grossartigen Sälen besteht dies Eisgewölbe, dieser unterirdische Feenpallast.

Aus dem Krater führt ein grosses, antik geformtes Portal in die Vorhalle. Hier bildet den Fussboden krystallreines Eis. In schweigender Bewunderung betrachteten wir uns zuerst das Kalksteingewölbe der riesigen Grotte, von dem in den mannigfaltigsten phantastischen Gebilden bläuliche Eiszapfen herabhingen. Beim Eingange gähnte dort ein bodenloser Abgrund. Die abschüssige, Eisdecke senkt sich hier gäh in die Tiefe, und der udkundige Wanderer muss sich wohl hüten, nicht einen Schritt zu weit vorwärts zu thun, sonst ist er, ausgleitend, unwiederbringlich verloren. Wir schleuderten kleinere und grössere Eisstücke hinab worauf die übereinander schlagenden Wellen ein Getöse herauf sandten, wie das Gebrülle eines in seiner Höhle gestörten Löwen. Am westlichen Ende der Felsenkluft ragte ein klafterhoher Eiskegel empor, der seine Entstehung den von der Decke herabrinnenden Wassertropfen verdankt. Die mittlere Höhe dieser Vorhalle, in der wie in einem Gothischen Dome ein melancholisches Helldunkel herrschte, mag 14 Klafter, die Flächenausdehnung 200 Geviertklafter betragen.

Unsere Neugierde trieb uns weiter, und so begaben wir uns beim Scheine der angezündeten Fackeln in den Nebensaal, der, in südlicher Richtung gelegen, mit seiner Todtenstille und Finsterpiss den Eindruck macht, als trete man in die düstern Katakomben des christlichen Alterthums. An Flächenausdehnung kann er sich mit dem vorigen messen, seine Höhe ist jedoch 18 Klafter, seine Wölbung kuppelförmig, und durch eine kreisförmige Oeffnung desselben erblickten wir überrascht den freundlichen blauen Himmel. Ausser dem spiegelglatten Eisboden und einigen an den Felswänden sichtbaren Tropfsteinen bietet diese zweite Höhle keine besonderen Erscheinungen dar.

Um in die dritte Höhle zu gelangen, mussten wir in die Vorhalle zurück, die jener als Eingang dient. Wir erwarteten dort etwas Ausserordentliches und wurden in unserer Hoffoung nicht getäuscht. Eine wunderbare Werkstätte der Natur that sich hier in diesem Diamantenpallast auf, der weniger eine Höhlenkammer als ein niedriger Gang und kaum über 5 Fuss hoch ist, so dass auch ein mittelgrosser Mensch gebückt hindurchkriechen muss, und nur einige Klafter lang.

Wände und Decken desselben sind mit unzähligen Schneekrystallen, überzogen, welche ein reizendes Kaleidoskop immer wechselnder Zeichnungen bilden, an denen wir uns nicht satt sehen konnten. Am Ende des Ganges standen wir auf einem Eishügel, von dem wir in eine Vertiefung hinabsteigen sollten, die sich zwei Klafter tief unter unseren Füsssen ausbreitete. Einer der Gornyiken schickte sich an, mit dem Beil Stuffen in die abschüssige Eiswand zu bauen, unserer Ungeduld währte dies jedoch zu lange, und so improvisirten wir aus unseren Winterröcken eine Art Schlitten, auf denen wir, mit steif vorgehaltenen Beinen, unter Spässen und Lachen in die Tiefe hinabrutschten. Unten adgelangt, verstummten wir jedoch vor Staunen und Bewunderung, die sich endlich in einzelnen Ausrufen Luft machte. Wir befanden uns in einem kleinen, kaum über hundert Geviertklaftern ausgebreiteten Raum, aber was der Glanz der Packeln hier beleuchtete , war, wohin wir uns wenden mochten, interessant und überraschend. Welcher schneidende Kontrast ! Eine halbe Stunde früher hatten wir oben im Freien die Glath einer Afrikanischen Hitze verspürt, und jetzt in einer Tiefe von 20 Klaftern unter der Oberfläche, empfanden wir in diesem Eisloche eine strenge Winterkälte. Doch vergassen wir derselben über der Betrachtung der grössern und kleinern Eispfeiler, die am Fussboden gegen die Decke senkrecht aufstrebten. Die Höhe der grössten Säule mochte kaum um einige Linien eine Klafter überragen; der Durchmesser des dicksten Pilaster überstieg nicht einen Schuh ; alle aber waren von krystallreiner Durchsichtigkeit und glichen in ihren wechselnden Formen einer Gallerie diamantener Bildsäulen. Einige ron ihnen stürzten wir um und schleppten sie an den Rand eines Ab. grundes, der auch hier an dem nördlichen Ende der Höhlenkammer sich aufthat und in den sie mit Donnergepolter hinabrollten

An der östlichen Wand dieser Krystallgrotte zog ein Brunnen meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein zwei Fuss hoher Eiskrater bildete das Wasserbecken. Um dasselbe herum blinkten mannigfaltig geformte Eispyramiden, gleichsam die Wächter der eisumfangenen Quellennympfe. Ich beugte mich über die Einfassung und prüfte aufmerksam Farbe und Geruch des Wassers. Dasselbe war seifenfarbig, gleich dem über gelöschten Kalk stagoirenden Wasser ; Geruch empfand ich keinen ; es zu kosten verwehrte mir aber unser Führer, weil ich mir damit eine Erkältung zuziehen könnte.

Wir fingen an zu frieren, und es schien nicht räthlich, länger in diesem unterirdischen Sibirien zu verweilen. Der Gornyik war mittlerweile mit dem Aushauen der Stufen zu Stande gekommen, auf denen wir uns die Hände reichend, den Eishügel erklommen. Durch den Krystallgang kehrten wir in die Vorhalle in den Krater zurück. Diessmal war ich der Erste, der aus diesem Schneekessel herauszukommen trachtend, auf den Sprossen dor Leiter hinanklomm. Wenn irgendwo, war hier „bedäcbtiger Fortschritt“ angezeigt, denn jeder Fehltritt konnte den Tod bringen. Welches Gefühl, als wir wieder auf sichern Grunde Fuss fassten und die Winterhülle abstreifend, uns ganz dem Eindrucke hingaben, den die Gegenstände der in sommerlicher Pracht uns umgrünenden freien Natur auf uns hervorbrachten. Die Gesellschaft zerstreute sich nun, die Einen, worunter auch ich war, würzige Waldbeeren suchend, die andern ein Scheibenschiessen improvisirend, bis das lecker bereitete Homerische Mahl uns abrief, zu dem wir selbstverständlich den herrlichsten Appetit mitbrachten.

Um halb 3 Uhr Nachmittags nahmen wir, noch einen Blick in den Schneekrater hinabwerfend, Abschied von dieser unterirdischen Zauberwelt. Abends im Försterhause zu Gura-Disgyitului glücklich angelangt hatten wir noch das imposante Schauspiel eines in diesen Berghalden doppelt furchtbaren Gewitters. Als wir am 26. in der Morgendämmerung denselben Weg hinaufritten, den wir vorgestern in nächtlicher Finsterniss herabgekommen waren und auf dessen steilen Pfaden selbst die geübten Saumrosse wiederholt strauchelten, sahen wir erst, welche gefahrvolle Stellen wir passirt hatten, und dankten Gott, dass wir die nächtliche Tour glücklich bestanden. Als wir über den Berg gelangt waren, schlugen wir einen neuen Weg ein, um noch zwei merkwürdige Punkte, den Schneckenberg und den Ober-Vidraer Soviel wir wissen, gehört der Wasserfall in das Weichbild von Unter-Vidra. Anmerkung der Redaction. Wasserfall, zu berühren. Wir liessen uns in das reizende Thal hinab, welches die kleine Aranyos mit ihren klaren Wellen durchströmt. An einer Stelle des linken Ufers erhebt sich dort ein, mehrere Klafter hoher Hügel, der in der Geologie Siebenbürgens unter der Benennung des Schneckenberges bekannt ist. Seinen Grundbestandtheil bildet sandiger Lehm, in welchem unzählige versteinerte und conglomerirte Muscheln verschiedener Grösse, meist AmmonitenEs sind Actaeonellen and Nerineen der Gosauformation. Anmerkung der Redaction., eingelagert sind. Einige stehen mit dem untern, andere mit dem obern Ende hervor, und manche Schichte nimmt sich aus, als ob eine menschliche Hand sie künstlich geordnet hätte. Wir nahmen uns einige schöne Exemplare dieser untergegangenen Thierwelt mit, und ritten nun zu dem Wasserfall hinauf, der von der Ortschaft Ober-Vidra seinen Namen erhalten hat. Südöstlich von der Gaina-Alpe liegt ein etwa 3000 Fuss hoher Berg, welcher der Kalksteinformation angehört. Auf ihm entspringt ein Bach, der einige Flintenschüsse von seinem Ursprunge entfernt in einer Höhe von zehn Klaftern, und einige hundert Schritte weiter zwei Klafter tief herabstürzt.

Ist das Wasser nach längerem Regen oder von einem Wetterguss stark angeschwollen, so gewahrt die mit donnerndem Gebrause ħerniederstürzende Doppelkaskade ein wahrhaft imposantes Schauspiel. Jetzt nach anhaltender Dürre, war die Wassersäule sehr zusammengeschmolzen und überdiess im oberen Fall durch einen vorstehenden Baumast in zwei Strahlen gespalten. Unter dem dünneren Strahl wagten wir es, eine Touche zu nehmen, die jedoch immer noch so kräftig war, dass wir es nur einige Sekunden unter derselben aushielten und dann unter dem kleineren Wasserfall das erfrischende Sturzbad fortsetzten, worauf wir, auf dem Rasen hingestreckt, und an dem Anblicke des malerischen Landschaftsbildes uns weidend, die letzten Ueberreste des mitgenommenen Reiseproviants verzehrten.

Die Sonne neigte sich bereits stark zum Untergange, und wir mussten uns beeilen, um noch in der Abenddämmerung Abrudbánya zu erreichen, wo an der Thorschwelle des gastlichen Hauses unser freundlicher Wirth uns schon erwartend stand, dem wir nicht genug danken konnten, uns zu einem Ausfluge animirt zu haben, der uns Gelegenheit gegeben hatte, einige der grossartigstea Naturscenereien unseres schönen Vaterlandes keppen zu lernen.